Am Schluss schaltet man den Fernseher aus und geht ins Bett. Irgendwann steht man wieder auf und wartet. Ein halbes Jahr wartet man. Liest Zeitung um Zeitung um Zeitung um Zeitung. Manchmal steht da: Ein Kanadier geht, ein Russe kommt. Oder ein Russe geht, ein Slowake kommt. Oder ein Slowake geht, ein Finne kommt. Oder – und das ist der Idealfall – ein Finne geht und ein Kanadier kommt. Man liest, nimmt zur Kenntnis, macht sich seine Gedanken, und man wartet, und es wird Frühling, Sommer, Spätsommer. Und dann wird es Mitte September.
Dann kann man wieder an fünfzig Abenden rumnervöseln. Unter siebentausend Mitnervöselrn – oder ganz für sich, verstohlen am Handy rumdrückend, während man die Kinder ins Bett bringt, ihnen mit einem Auge eine Geschichte vorliest und mit dem anderen dorthin schaut, wo man alle dreissig Sekunden auf aktualisieren drückt.
Und dann verlieren sie manchmal. Manchmal gewinnen sie auch. Und man denkt: Gegen die hätten wir nicht verlieren sollen, so reicht es garantiert nicht. Oder man denkt: Wenn wir gegen die nicht gewonnen hätten, würde es erst recht nicht reichen. Man sagt und denkt: wir.
Und meistens reicht es dann, nach fünfzig Abenden, und wenn es reicht, dann meistens knapp. Und dann nervöselt man noch mehr, und im Fernsehen reden bekannte Leute, die sonst über Skifahrer oder Skispringer oder Fussballer reden, plötzlich über uns. Als hätten sie unsere fünfzig Abende auch durchlebt. Als hätten sie auch aktualisieren gedrückt. Als wüssten sie Bescheid.
Und dann kommt irgendwoher nochmals ein Kanadier, er kommt, obwohl es für ihn zu spät ist. Und man hält vier Abende durch und vom fünften noch zwei Drittel, den Rest schenkt man den Leuten, die meinen, sie könnten mit einem mitfühlen. Dann schaltet man den Fernseher aus…
…und geht ins Bett. Und versucht, sich zu erinnern, wie das irgendwann angefangen hat, vor mehr als tausend solcher Abende. Und vor allem: was für ein Abend das war. Ob eher ein erster, oder ein fünfundfünfzigster. Oder irgendeiner mittendrin.
Bravo Marcolino!
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Grazie Andonio, mi consoli un po‘.
(Ho detto: un po‘!)
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Danke! Die Schweizer Liga ist spannend, ich könnte Geschichten erzählen… (sollte ich vielleicht wirklich, aber das wäre dann definitiv für ein „Spartenpublikum“.)
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Da schließe ich mich sehr gerne Zeilentiger an. Auch mein Herz schlägt so gar nicht für Eishockey, und dennoch finde ich diesen Text herrlich. ;-)
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Ein herrlicher Text. Der Beweis? Ich interessiere mich null für Eishockey und habe trotzdem mit einem Lächeln bis zum Ende gelesen.
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