Vor zwei Jahren haben wir an dieser Stelle Doug und Harald kennengelernt. Mit viel Leidenschaft züchteten sie Lachse – der eine in Alaska, der andere in Norwegen. Vor unseren Augen enthüllten sie das pulverförmige Geheimnis ihrer Zuchterfolge. Wir lernten von ihnen, was ablachsen heisst. Und wir waren hautnah dabei, als der Besamer kam.
Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Was ist aus den beiden geworden? Wie geht es ihnen heute?
Wir haben Harald in Tromsø zum Gespräch getroffen, bei einem frühen Mittagessen in einer Imbissbude im Stadtteil Hungeren. Doug war per Skype aus Chichagof Island zugeschaltet. Obwohl bei ihm in Alaska bereits kurz nach Mitternacht war, trug er Gummistiefel, wie er uns lachend verriet. Die letzte Fütterung sei um 23:50 Uhr, das habe sich bewährt. Der Rhythmus sei ein anderer, seit das Lachsbecken in Gebäude A letztes Jahr renoviert worden sei. Es sei strenger geworden, längere Präsenzzeiten, doch er arbeite nun einen Stellvertreter ein, Chris, und so werde seine Work-Life-Balance bald wieder so sein wie vorher.
Schreibplanet: Harald, beginnen wir bei Ihnen: Wie geht es Ihren Lächsinnen?
Harald Kristoffer Rønning («Fischkopf»): Nun, erst einmal muss ich Ihnen danken, dass Sie sich die Zeit nehmen. Die Lachszucht ist ein hartes Business. Unser Lachs aus mehrfach zertifizierter Zuchtmethode war schon beliebter, das Marktumfeld ist anspruchsvoll, wir sind der Talsohle nah. Wir richten uns schon jetzt auf die Zwanzigerjahre aus. Wichtig ist die Vernetzung.
SP: Sie meinen die Vernetzung des Meeres? Also das Auslegen von Netzen? Weg von der Zucht, hin zu Wildlachs?
HKR: Ich rede eher von der unaufhaltsamen Globalisierung des Lebensmittelmarktes. Wir haben festgestellt, dass die Bündelung wirtschaftlicher Belange nicht mehr nur innerhalb eines Landes relevant ist, sondern eine weltweite Ausdehnung bekommt. Wir haben deshalb bei uns in der Provinz Tromsø eine Fachtagungsreihe organisiert, in deren Vorfeld wir, das heisst ich, meine Frau Ylva-Ingvild Hølsenbrø Rønning, unser stärkster Mitkonkurrent Bjarne-Fritjof Kjellson vom Lachszüchterkonglomerat Kjellson Gravlax Troms og Finnmark sowie der Bezirksvorsitzende des Verbands Mittelständischer Unternehmen des Königreichs Norwegen, für Sie vermutlich besser bekannt unter dem Kürzel KCMC Norge, uns mit solchen Fragen intensiv auseinandergesetzt…
SP: …vielleicht wird das jetzt zu detailliert für unsere Leserinnen und Leser. Nennen Sie uns doch ein konkretes Beispiel: Woran spüren Sie die Globalisierung in Ihrem Alltag als Lachszüchter?
HKR: Lassen Sie mich den Gedanken noch kurz zu Ende führen. In der Diskussion ging es um Gefahren und Chancen der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft und der Märkte. Ylva-Ingvild, Bjarne-Fritjof sowie der Bezirksvorsitzende waren der Meinung, dass in unserer Branche am Grundsatz des Liberalismus nicht gerüttelt werden darf. Dass wir anerkennen müssen, besser heute als zu spät, dass der Wohlstand aller Länder, also der Wohlstand Norwegens und somit auch jener der Bezirke Troms und Finnmark, am grössten ist, wenn rein staatliche, kleingeistige Beschränkungen des internationalen Handels beseitigt sind. Davon kann die Lachszucht nur profitieren. Der Abbau von Handelshemmnissen ist daher für den KCMC die oberste Zielsetzung. Ich selber sehe es ähnlich und befürworte die Bestrebungen aktiv.
SP: Sie sind also mittlerweile mehr Wirtschaftspolitiker als Lachszüchter?
HKR: Wenn Sie das so unreflektiert ausdrücken möchten, kann ich Sie nicht davon abhalten. Ich würde es vorsichtiger definieren. Die Form unseres heutigen Wirtschaftens wäre durch den Begriff der Anstrebung eines deregulierten Besamens besser beschrieben als mit einer Definition, die sich des zwiespältig konnotierten Begriffspaars der politischen Betätigung und der Herstellung natürlicher skandinavischer Fischverarbeitungsprodukte bedient und dadurch einem ungünstigen Grundgedanken Vorschub leistet.
SP (nun zu Doug Miller, der sich im Skype-Fenster des Laptops ein Häutchen von seinem rechten Daumen kaut): Doug, gibt es bei Ihnen in Alaska ähnliche Überlegungen in Lachszüchterkreisen?
Doug Miller («Sheriff»): Von der Globalisierung her gesehen? Nicht, dass ich wüsste. Ich züchte Lachs, verkaufe ihn, lebe ein einfaches Leben.
SP: Befürchten Sie, die Konkurrenz aus Europa könnte in den nächsten Jahren stärker werden?
DM: Wer weiss schon, was in ein paar Jahren ist. Ich arbeite in den USA. Um die Konkurrenz von werweisswoher kümmert sich die Regierung in Washington, wenn wir Glück haben. Vielleicht wird mit Trump alles besser.
SP: Und wenn nicht?
DM: Dann warten wir, bis Trump weg ist. Ich habe keine Zeit, mich mit so etwas zu beschäftigen.
SP: Ist das nicht etwas kurzsichtig?
DM: Ich kann einen Salmothymus von einem Oncorhynchus unterscheiden. Und ich sehe einem Besamer aus zweihundert Fuss Entfernung an, ob er sein Handwerk beherrscht. Das wird im Lachsgeschäft immer die Hauptsache bleiben.
SP (nun wieder zu Harald Kristoffer Rønning): Ihr amerikanischer Berufskollege schätzt die Lage anders ein. Halten Sie seine Einstellung für naiv?
HKR (nickt): Mit Verlaub, er macht es sich sehr einfach. Die Prädisposition der Lachszucht als Ganzes, in Verbindung mit den multivariaten Faktoren der aktuellen globalen Trends, müsste auch den Herrn Kollegen zu einer anderen Analyse führen.
DM (zu SP): Viel Glück bei Ihrem Artikel! Ich werde ihn gerne lesen, falls ich Zeit habe. Es ist wichtig, dass über den Lachs geschrieben wird. Er ist ein grossartiger Fisch.
HKR (zu SP): Schicken Sie mir meine Antworten zum Gegenlesen, bevor Sie sie publizieren. Ich bin vorsichtig geworden mit Medienschaffenden. Es wird leider viel Müll geschrieben.