(von Marc Kipfer, erschienen am 9. August 2011 in den Freiburger Nachrichten)
Werde ich diesen kleinen Artikel bald bitter bereuen, meinen Leichtsinn beweinen und die heutige Ausgabe dieser Zeitung verfluchen? Weil mein stiller Lieblingsplatz plötzlich die lauten Massen anlockt, und ich daran Schuld trage?
Gut möglich. Nun ist es aber so, dass Geheimniskrämerei einem aufrechten Journalisten schlecht ansteht. Daher sehe ich mich – nach intensivem Abwägen und In-mich-Hineinhorchen – gezwungen, an dieser Stelle mein Schweigen zu brechen. Also aufgepasst. Am Ufer des Murtensees, genauer im Wald zwischen Merlach und Grengspitze, liegt der schönste Ort der Welt.
Das soeben Geäusserte liesse sich als übereifrige Behauptung abtun, wäre sie nicht zweifellos wahr. Hier, abseits des Waldweges, in einer kleinen, wahrlich pittoresken Bucht finden die Gegensätze zueinander: See trifft Wald, Wasser streichelt Laub, Hecht lauscht Specht, Tannzapfen lassen sich ins Schilf fallen, Zecken krabbeln über angeschwemmte Muscheln. An heissen Sommertagen ist dies mein Schattenplatz ohne Glasscherben, mein Schwimmbecken ohne Chlor, meine Wiese ohne Kindergeschrei, mein Freibad ohne sechs Franken Eintritt. Die Blätter der Bäume sind meine Sonnenschirme ohne Firmenlogos. Kurz: Dieser Ort ist mein Murten.
Aber eben. Nach diesem Artikel werde ich an meinem Lieblingsplatz eine merklich steigende Besucherfrequenz in Kauf nehmen müssen. Und dann passiert das Übliche: Die freie Natur weicht dem freien Markt. Tourismusfachleute erkennen das Potenzial dieses malerischen Ortes. Politiker (etwas später) auch. Dann werden Wegweiser aufgestellt. Es gibt Parkplätze, der Waldweg wird asphaltiert, Umweltfans wehren sich. Doch es kommen noch mehr Leute, dann Pingpongtische, ein Beachvolleyballfeld, Bäume werden abgeholzt, und auf seiner nächsten Welttournee spielt Zucchero an meinem Lieblingsplatz.
Ich werde einen Backstage-Pass verlangen.