Ein Jahr für die Cholera

Seriengucken ist ja sowieso das neue Romanelesen.

Das las ich kürzlich irgendwo – ich glaube, es stand in der Berner Zeitung. Ob Seriengucken gleichzeitig auch noch das neue Zeitungenlesen ist, das neue Brettspielespielen, das neue Imturnvereinturnen oder das neue Frühinsbett, stand dort leider nicht.
Oder es stand dort sehr wohl, bloss überlas ich es, weil ich den Artikel überflog, flüchtig, hastig, denn eigentlich wollte ich Stranger Things schauen.

Stranger Things ist tatsächlich gut… Es hat mir mehrere Frühinsbett versaut in den letzten Wochen des letzten Jahres. Folglich begünstigte das Netflix-Abo auf direktestem Weg meines frühmorgendlichen Kaffeekonsums spätherbstliche Entfaltung.

Doch so fesselnd diese und andere Hype-Serien sind – ihnen darob gleich eine Verdrängungsmacht anzudichten, die Dichtung entthront, Literatur an den Rand drückt, ist absurd.
Falls eine solche Verdrängung stattfindet, muss sich das die Literatur schon selber zuschreiben. Denn: Jeder ist seines Todes Schmied. 

Dieser mächtige Satz, über den man abendfüllend nachdenken kann, sofern man sich den Abend fürs Nachdenken leergelassen hat, stand nicht in der Berner Zeitung. Er entstammt auch nicht einem Netflix-Produzentinnengehirn. Zu lesen ist der Satz in Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Ich habe soeben begonnen, diese Episode der Weltliteratur zu lesen. Mich in seiner Vielschichtigkeit zu orientieren, in seiner flüssigen Sprache zu schwimmen, seine Schlauheit aufzusaugen. Es scheint recht viel von alldem drinzustecken in diesem Cholera-Epos. Es soll Fans geben, die seit fünfunddreissig Jahren auf die zweite Staffel warten.

Ich schätze, das garantiert mir in diesem Jahr ungefähr zwanzig wohltuende Lesestunden.
Eine halbe Stunde lesen pro Mal, das würde dann vierzig Folgen machen. 

Mal schauen, ob ich die durchhalte.
Es soll ja in diesem Jahr, dem neuen, neue Folgen von Stranger Things geben; bald schon, viel zu bald.

 

3 Gedanken zu “Ein Jahr für die Cholera

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