Jemand muss es ihnen sagen

Hässliches gibt es überall. An der Buchmesse wird es möglichst gut hinter Messehallenwänden und doppelverglasten Messehallenfenstern ausgesperrt. Es soll nicht existieren.

Am zweiten Tag meines Besuchs ist es mir dann doch begegnet; es scheint durch irgendeine Ritze gedrungen zu sein.

An welchem Winkel im Dickicht der Messestände sich das Hässliche niedergelassen hat, hat mich erschüttert. Es traf jene, denen eigentlich meine Sympathie sicher ist: Den Self-Publishern. Das sind unentdeckte Autoren, die dennoch Autoren sein möchten. Autoren sein wollen. Autoren sind.

Bei manchen ist es klar, warum die Verlage sich verweigern. Wenn jemand einfach schlecht schreibt, würde ich auf meine Verlagsfranken und -euros auch zwei schützende Halbfäuste legen.

Es gibt aber auch jene Self-Publisherinnen und Self-Publisher, also insgesamt jene Self-Publishenden, die gut schreiben und ein imposantes Fachwissen haben. Die echte Experten sind, aber in einem Nischenthema, das nach Verlagseinschätzung nur wenige hundert oder tausend Menschen interessiert – zu wenig.

Dabei sind doch auch Nischenthemen und Themennischen höchstinteressant, zumal in einem sprachlich attraktiven Buch. Aber genau hier hat die Hässlichkeit sich niedergelassen und es sich wohnlich eingerichtet. Self-publishte Bücher sind an der Buchmesse gut vertreten, und alle sehen sie schlimm! aus. (Mit alle meine ich für einmal so geschätzte 99,5 Prozent. Die löblichen Ausnahmen habe ich nicht entdeckt, aber ich war ja auch nur zwei Tage dort.)
Also, kommen wir zu den Basics:

Covers sollte man nicht selber gestalten. Ihr habt es versucht, aber ihr solltet wirklich nicht.

Vorworte sollten nicht mit Dieses Buch zu schreiben, war mein grösster Lebenstraum beginnen.

Danksagungen sollten nicht den Satz enthalten Ich danke Sabine für die Beseitigung von Rechtschreibfehlern, ohne dich wäre dieses Buch nicht das, was ich jetzt in den Händen halten darf. Solche Sätze können 400 Seiten Weltliteratur töten.
Ihr spürt das doch auch, also warum schreibt ihr sowas?

Und die Anschlussfrage an die Self-Publisher-Dienstleister, die alle sehr professionell wirkten an der diesjährigen Messe:
Warum lasst ihr das zu?

Arial 12 ist keine Buchschrift, das müsst ihr den Leuten doch sagen.

Seid ihr irgendwo (Kardiologen mögen mir verzeihen) im Kern eures Herzens eine Art Verlag? Oder bloss unkritische Druckereien? Möchtet ihr, neben allen Hochglanz-Flyers und -Broschüren und interessanten Keynote-Vorträgen nicht auch schöne Bücher ausstellen können?

Eure Bücher sehen aus wie diese Dinger, die erst dann aus der tiefen Tiefsee auftauchen, wenn sie schon tot sind. Fischer finden sie dann am Strand. Und denken: ähm, okay…

 Auf diesen Tiefseemonster-Vergleich (oder Tiefsee-Monstervergleich?) bin ich nicht selber gekommen. Ich habe ihn in einem Buch gefunden, das verlag-published ist. Es ist von Judith Holofernes und heisst Du bellst vor dem falschen Baum (auch die Titel sind bei Verlagen besser. Hatte ich mir schon vor der Messe gedacht; jetzt weiss ich es).

Ich halte das Gedicht für eine Sensation.

Tiefseefische

Tiefseefische
– auf die Gefahr
dass ich mich einmische –
dass euch nie einer sieht
ist doch lang noch kein Grund
so auszusehen, oder?
So ungesund!

Gelind gesagt:
unrund! Unschön! Ungestalt!
So picassös
mim Mund gemalt!
Oder?
Wozu denn?
Kommt ja keiner
zum Grunde
hier runter –
außer
er ging unter

Ach so? Ihr seid des Hades Wachen?
Aber mal ehrlich, so was Fades
Ihr solltets wie der Clownfisch machen
und leuchten um die Wette
mit Krebsen und Korallen

Ihr hier, ihr raucht Kette
und leuchtet grell von scheppser Stirn
einander ins zerbeulte Hirn
und in den Monsterrachen

Ihr Fischclowns habt gut scherzen
wo Forschern stets
die Kapseln bersten
bevor sie applaudieren könnten

Hier unten, unter Ausschluss aller
– ach, es wär der Oberknaller! –
leuchtet manch ein Tiefseebarsch
wahrscheinlich sogar aus dem Arsch
und keiner würds goutieren

Also: macht doch, wie ihr meint!
Ich sag nur, dem Betrachter scheints
als schlüg bei euch
mit Schmach und Hohn
der Bar-Druck den
der Selektion

Bei Büchern ist es ähnlich. Der Bar-Druck trifft die, denen kein Verlag etwas vorschiesst. Die Selektion meint es nicht gut mit ihnen. Schön, wenn sie trotzdem nicht ganz untertauchen.

7 Gedanken zu “Jemand muss es ihnen sagen

  1. Cover, Lektorat, Schlußkorrektur, kann man alleine nicht stemmen. Einmal isses zu viel Arbeit. Dann braucht man bei ästhetischen Fragen noch einen, besser mehrere kritische Geister, die einem ins Gesicht sagen, was schlecht ist. Damit das wirklich Schlechte rausfliegt. Und damit der Rest gegen bornierte Mäkler durchgekämpft wird.

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  2. Ich fand die Texte von Wir sind Helden schon immer wunderbar. Du hast schon Recht: das Auge liest mit, so oder so, aber auch so 😊 Hast du sowas wie ein Lieblingscover? Ich mag das von „Schlafes Bruder“

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  3. Gut auf den Punkt gebracht, du sprichst mir aus dem Herzen (auch ohne Kardiologenhilfe).
    Und den Bod und Selfpublishern sind deine Argumente sch… äh stinkegal. Hauptsache die Kohle stimmt. Und das heisst: Der Autor schiebt die rüber und dann erhält er nach einiger Zeit ein Buch. Eben mit scheusslichem Cover, lausigem Titel, Rechtschreibfehlern im grösseren Stil, weil Lektorat gibt es nicht. Da dürften die angehenden Autoren auch ungestraft mit ComicSans schreiben. Ach ja, für das Marketing ist man selbst besorgt. Und wohl kaum eine Buchhandlung nimmt ein solches Buch ins Programm auf…
    Im Prinzip sollte man als Autor oder Schriftstellerin im richtigen Moment am richtigen Ort sein, notabene mit dem richtigen Text. Wobei, passenden Text trifft es eher. Eine Kollegin von mir schreibt wunderschöne Bücher, und bisher weigert sie sich erfolgreich gegen Mainstream-Wünsche des (sehr bekannten) Verlages. Einen Vampirroman von ihr wird es deshalb nie geben, auch wenn das Thema so passend sei, wie ihr beschieden wurde.

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  4. Gut auf den Punkt gebracht, du sprichst mir aus dem Herzen (auch ohne Kardiologenhilfe).
    Und den Bod und Selfpublishern sind deine Argumente sch… äh stinkegal. Hauptsache die Kohle stimmt. Und das heisst: Der Autor schiebt die rüber und dann erhält er nach einiger Zeit ein Buch. Eben mit scheusslichem Cover, lausigem Titel, Rechtschreibfehlern im grösseren Stil, weil Lektorat gibt es nicht. Da dürften die angehenden Autoren auch ungestraft mit ComicSans schreiben. Ach ja, für das Marketing ist man selbst besorgt. Und wohl kaum eine Buchhandlung nimmt ein solches Buch ins Programm auf…
    Im Prinzip sollte man als Autor oder Schriftstellerin im richtigen Moment am richtigen Ort sein, notabene mit dem richtigen Text. Wobei, passenden Text trifft es eher. Eine Kollegin von mir schreibt wunderschöne Bücher, und bisher weigert sie sich erfolgreich gegen Mainstream-Wünsche des (sehr bekannten) Verlages. Einen Vampirroman von ihr wird es deshalb nie geben, auch wenn das Thema so passend sei, wie ihr beschieden wurde.

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